Unter der Leitung von Wolfgang Neubauer (LBI ArchPro, Universität Wien) wird Stück für Stück die Jahrtausende alte Geschichte des Königsbergs neu erforscht. Das zehnjährige Forschungsprojekt wurde im Jahr 2021 mit einer ersten archäologischen Ausgrabung innerhalb der bronzezeitlichen Höhensiedlung erfolgreich gestartet. Im Laufe des Projekts sollen durch den Einsatz moderner digitaler Methoden neue Erkenntnisse über die Fundstelle und auch das alltägliche Leben der urgeschichtlichen Bewohner des Königsbergs gewonnen werden. Dabei erforschen die Archäologen gemeinsam mit Studierenden, Schülern und freiwilligen Helfern aus ganz Österreich die Siedlung am Königsberg und können jedes Jahr aufs Neue von spannenden Entdeckungen berichten.

Im Rahmen der archäologischen Forschungsgrabung wird jeden Sommer eine praxisorientierte Lehrveranstaltung der Universität Wien durchgeführt. Die Studierenden des Instituts für Urgeschichte und Historische Archäologie erlangen hier vertiefende und berufsorientierte praktische Kenntnisse zur stratigraphischen Ausgrabungsmethode und der digitalen dreidimensionalen Dokumentation archäologischer Strukturen und Funde.

Vereinsmitglieder von Königsberg Research haben die Möglichkeit das Grabungsteam im Sommer tageweise bei der Arbeit zu unterstützen. Helfende Hände werden immer gerne gesehen - setzen Sie sich einfach mit uns in Verbindung!


 

Die erste archäologische Untersuchung am Königsberg wurde im Juli 2021 als vierwöchige Forschungs- und Lehrgrabung der Universität Wien und des Ludwig Boltzmann Instituts durchgeführt. Der Grabungsschnitt umfasste eine Fläche von etwa 150 m² im Inneren des sogenannten Kernwerks der spätbronzezeitlichen Siedlung.

Die im Vorfeld durchgeführten Radarmessungen versprechen die Reste von Gebäuden und einer Wallbefestigung aus unterschiedlichen Phasen der Besiedlung des Königsbergs. Die Ergebnisse der Radarmessung zeigen, dass bis in eine Tiefe von über einem Meter mit Spuren der prähistorischen Siedlung zu rechnen ist. Die Grabungen unter der Leitung von Professor Dr. Wolfgang Neubauer fanden im Rahmen einer Lehrgrabung der Universität Wien unter Beteiligung von Studenten, Praktikanten, ausgebildeten Archäologen und Freiwilligen aus der Bevölkerung während dem gesamten Juli statt.

Bereits nach dem Entfernen des Laubes kamen erste prähistorische Scherben zutage, die aus unterschiedlichen Zeiten von der frühen Hallstattzeit bis zurück in die Jungsteinzeit stammen. Im Rahmen der Lehrgrabung lernen die Studenten der urgeschichtlichen Archäologie wie man die unterschiedlichen Schichten aus der Vergangenheit erkennt, in der umgekehrten Reihenfolge ihrer Entstehung ausgräbt und mit Fotografie und Laserscannern dreidimensional dokumentiert. Zur Ausbildung gehört auch die Bergung von Fundobjekten und deren systematische Dokumentation.

Nach dem Abtrag des Waldhumus kamen bereits entlang der vermuteten Wallaufschüttung verschiedene Steinlagen zutage. Zwischen den Steinen kamen unzählige Scherben ans Tageslicht, die in die Jahrhunderte nach 1000 vor Christus datiert werden können. Einzelne Steine bildeten Reihen, die als die letzten Reste der Fundamentierung von Holzgebäuden interpretiert werden können. Die jungen Archäologen fanden auch immer wieder verbrannte Reste des Lehmverputzes dieser Holzgebäude. Im Inneren der Gebäude konnten Reste von Lehmestrichen und eine eingestürzte Lehmkuppel eines Backofens festgestellt werden. Zwischen den Häusern kamen große Mengen von keramischen Scherben zutage welche von kleinen Bechern, Schalen und Schüsseln und großen Kochgefäßen stammen. Eine Reihe von sogenannten Spinnwirteln, Schwunggewichten für die Spindeln zum Spinnen von Fäden belegen intensives Textilhandwerk am Königsberg am Ende der Bronzezeit und in der frühen Hallstattzeit. Trotz der riesigen Menge an Keramik die geborgen werden konnte, wurden bisher keine Tierknochen aus prähistorischer Zeit entdeckt. Sie dürften in dem sauren Boden am Königsberg vollkommen vergangen sein, sodass wir bisher keine Hinweise auf die Haustiere und die mögliche Jagdbeute der prähistorischen Bevölkerung und damit ihrer Ernährungsgrundlagen haben.

Der Königsberg von Tieschen ist besonders bekannt für den zufällig gefundenen vollständig erhaltenen Feuerbock, der heute im Universalmuseum Joanneum in Graz ausgestellt ist. Trotz der eigentlich vergleichsweise kleinen Fläche, die bei den Ausgrabungen untersucht wurde, konnten von den Forschern im Sommer zahlreiche Fragmente von rund zehn weiteren Feuerböcken entdeckt werden. Ein besonderer Fund, der bei der Grabung zutage kam, ist eine ungefähr 8 cm lange Klinge aus Feuerstein, die einst als Schneide für eine Sichel gedient hat, mit der das Getreide in den Feldern rund um den Königsberg geerntet wurde. Aufgrund des unglaublich großen Fundanfalls sind die Wissenschaftler noch nicht tief in den Untergrund vorgedrungen, die Grabungen werden nächstes Jahr an der gleichen Stelle weitergeführt.


 
Erste Funde aus der Jungsteinzeit

Die Ausgrabung wurde auf dem Areal des Vorjahres fortgesetzt, wo eine etwa 150 m2 große Fläche auf dem höchsten Plateau des Königsbergs untersucht wird. An dieser Stelle könnte das Team von Archäologen bereits im letzten Sommer Nachweise für eine Besiedlung vor über 5000 Jahren erbringen. In der Kupferzeit, dem letzten Abschnitt der Jungsteinzeit, lebten die Menschen bereits in großen Siedlungen, sie betrieben Ackerbau und Viehzucht, aber auch schon spezialisiertes Handwerk. Die Funde aus dieser ersten Besiedlung auf dem Königsberg umfassen vor allem Fragmente von Keramikgefäßen wie Henkelkrüge, Schüsseln und Töpfe, die mit vielfältigen geometrischen Mustern kunstvoll verziert wurden. Aber auch Bruchstücke von unterschiedlichen Steinwerkzeugen wie Beilen, Dechseln und feinen Klingen wurden auf dem Königsberg gefunden.

Die Archäologen konnten nun auch erstmals den Nachweis für prähistorisches Metallhandwerk auf dem Königsberg erbringen. In der letzten Grabungswoche wurde ein etwa 3 cm großes Stück Kupfer-Schlacke gefunden, das bei der Verarbeitung des Buntmetalls vor Ort entstanden ist. Ein Zeugnis der Verhüttung ist auch das Fragment einer Tondüse, die für die Luftzufuhr im Schmelzofen sorgte.

Eine bedeutende Rolle neben dem Metallhandwerk kommt in der Jungsteinzeit auch der Erfindung des Rades zu, das ab dem 4. Jahrtausend v. Chr. in Form von hölzernen oder tönernen Scheibenrädern vom Schwarzen Meer bis nach Dänemark zu finden ist. Bei der Grabung am Königsberg ist in diesem Sommer das erste Zeugnis für den Gebrauch von Wägen in unserer Region erbracht worden. Es ist ein Miniaturrad mit Nabenbuchse aus Keramik, das von einem Wagenmodell stammt. Ob es sich bei den kleinen vierrädrigen Wägen um kultische oder profane Objekte handelt, ist noch unklar. Eine Zuweisung als Spielzeug oder Kultobjekt ist auch bei den am Königsberg gefundenen Bruchstücken einer Widder- und einer Frauenfigur, sogenannten Idolen, nur schwer möglich. Von der weiblichen Figur ist lediglich der Torso erhalten, der umlaufend mit feinen Ritzlinien verziert ist.

 
Erkenntnisse zur bronzezeitlichen Höhensiedlung

Die ausgezeichnete Lage auf dem Plateau wurde schließlich in der Späten Bronzezeit (1300-800 v. Chr.) für die Erbauung einer noch größeren Siedlung genutzt. Die Siedlung umfasste ein Areal von 10 Hektar und wurde mit einem massiven Verteidigungswall mit einer Holz-Erde-Konstruktion im Inneren und einem vorgelagerten Graben befestigt. Im vergleichsweise kleinen Untersuchungsbereich konnten bereits im Vorjahr die Überreste von zwei Gebäuden festgestellt werden, die nun im zweiten Jahr der Grabung intensiver untersucht wurden. Die Archäologen konnten in den Bereichen innerhalb und um die Hausgrundrisse eine beeindruckende Anzahl von Fundstücken bergen. Von besonderer Bedeutung für die Erforschung der Lebensumstände in der sogenannten Urnenfelderzeit sind vor allem die zahlreich gefundenen Überreste der Textilproduktion. Durch die aufgefundenen Spinnwirtel, Fadenspulen und Webgewichte können die einzelnen Schritte der lokalen Herstellung von Textilen von der Fadengewinnung, über die Verwahrung der fertigen Fäden bis zu deren Verarbeitung auf großen Webstühlen nachgewiesen werden. Ein besonderes Highlight der Grabung ist der Fund von zwei Bronzenadeln mit kugelförmigem Kopf und Riefenverzierung auf dem Schaft. Diese etwa 10 cm langen Nadeln dienten als Vorgänger moderner Knöpfe zur Fixierung und dem Verschluss der Kleidung. Auch das Wahrzeichen unserer Gemeinde, der Feuerbock, wurde in diesem Jahr wieder in zahlreichen kunstvoll verzierten Varianten gefunden. Die Bruchstücke umfassen unterschiedlich ausgeformte Füße, Körper und Hörner von insgesamt zehn Feuerböcken.


 
Zahnbürste statt Kelle

Unsere Grabung im Juli 2023 war nicht unbedingt mit gutem Wetter gesegnet – über zehn Mal musste die mittlerweile 70 cm tiefe Grabungsfläche ausgepumpt und die archäologischen Schichten und Funde von Schlamm befreit werden. An der tiefsten Stelle hatte sich über den Frühling sogar ein kleiner Teich gebildet, der zum Reservat für zahlreiche Königsberger Gelbbauchunken wurde. Die Regenfälle haben die Arbeit unserer fleißigen Ausgräber in diesem Jahr also oft in den Königsberghof verlagert. Im Keller des ehemaligen Gasthofs sind alle Fundstücke der letzten drei Grabungsjahre in Kisten sortiert gelagert und genau diese galt es bei Schlechtwetter aufzuarbeiten. In den unfreiwilligen Regenpausen tauschte das Grabungsteam also kurzerhand Schaufel und Kelle gegen weiche Zahnbürsten und machte sich daran, die bisher noch nicht gereinigten Funde zu waschen, in die Datenbank einzugeben und sauber in Fundsackerl zu verpacken. Wie bei einem Puzzlespiel konnten sogar einige passende Scherben gefunden und zusammengeklebt werden. Ein kleines Team machte sich auch daran, die schönsten Artefakte zu zeichnen und zu fotografieren, während wieder andere digitale Pläne aller bisher aufgenommenen Daten erstellten. Archäologie ist also sehr viel mehr als nur graben, gerade die Aufarbeitung im Nachhinein ist eine äußerst wichtige Aufgabe.

 
Das Warten wird belohnt

An den wenigen schönen Tagen machte sich das rund 30-köpfige Team aus Studierenden, Praktikanten und freiwilligen Helfern daran, die Grabung im Inneren der Höhensiedlung fortzusetzen. Trotz der vielen verregneten Tage konnten rund 900 neue Fundstücke geborgen und zahlreiche Siedlungsreste untersucht werden, die eine faszinierende Geschichte zur Besiedlung erzählen.

Zu Beginn wurden die letzten Überreste eines bronzezeitlichen Hauses untersucht, von dem Teile bereits im Vorjahr ausgegraben wurden. Vom wahrscheinlich in Blockbautechnik gezimmerten und mit Lehm verputzten Haus war nur noch eine große Menge an verziegeltem Lehm und Holzkohle übriggeblieben. Denn das Haus brannte in einem Schadfeuer komplett ab und seine Überreste wurden einplaniert. Zur großen Freude und Überraschung der Archäologen war einer der verbrannten Holzbalken des rund 3000 Jahre alten Hauses an Ort und Stelle erhalten. Ein außergewöhnlicher Fund, denn Holz zersetzt sich im Normalfall sehr schnell. Im Inneren wurden die zerbrochenen Reste eines aufwendig dekorierten Feuerbocks gefunden, der hier mit zahlreichen Keramikscherben zurückgelassen wurde. Das Haus stammt vermutlich aus der letzten Besiedlungsphase am Königsberg, denn nach dem Brand wurde an dieser Position kein weiteres Gebäude mehr errichtet.

 

Überraschungen aus der Jungsteinzeit

Nach dem Entfernen der letzten bronzezeitlichen Überreste folgte eine weitere Überraschung für das Team: darunter lagen Artefakte aus der Kupferzeit, der letzten Phase der Jungsteinzeit. Aufgrund dieser zahlreichen Fundstücke können wir nun mit Sicherheit sagen, dass sich auf dem Königsberg auch vor rund 5000 Jahren schon einmal eine Siedlung befunden hat.

Aber nicht nur die Siedlung, auch die Befestigungsanlage, die den höchsten Siedlungsbereich schützte, stammt aus dieser Zeit. In den verstürzten Aufschüttungen des inneren Erdwalls wurden ebenfalls Keramikscherben aus der Jungsteinzeit gefunden. Die Funde der sogenannten Chamer-Kultur wurden bisher in der Steiermark nur in der Höhensiedlung am Wartenstein (Bezirk Voitsberg) gefunden. Tieschen ist damit der südöstlichste Verbreitungspunkt dieser Kulturgruppe. Die besonders schön verzierten Gefäßfragmente zeigen weitreichende Verbindungen und Einflüsse aus verschiedenen Regionen und Kulturen. Diese Kontakte zu Gruppen aus der Schweiz oder Deutschland brachten neue kulturelle Impulse nach Tieschen. Warum die Siedlung von ihren Bewohnern aber schlussendlich verlassen und erst nach einer Pause von rund 2000 Jahren wieder aufgebaut wurde, müssen wir in den kommenden Jahren klären.